«Man ist halt nicht im Kreis 4 am 1. Mai»

Am ersten Mai 2010 wurde zum ersten Mal der Wegweisungsartikel in Massen angewendet. Obwohl im Vorfeld immer mit Hooligans und Nazis argumentiert wurde, ist es vor allem der politische Widerstand von links, der mit diesem Artikel kriminalisiert werden soll.

(az) Der Morgen des ersten Mais begann mit Präventivverhaftungen. Wer im Hauptbahnhof Zürich ankam und der Polizei «suspekt» vorkam, wurde durchsucht, dann mitgenommen, dann wieder durchsucht, registriert und nach dem Prozedere weggewiesen. Das Rayonverbot hiess: Ein Verbot sich während 24 Stunden auf dem Stadtgebiet zu bewegen und somit auch ein Verbot an die Demonstration zu gehen. Dies fiel an sich nicht mehr so ins Gewicht, da durch das ganze Verfahren die offizielle Demonstration ohnehin schon vorbei war. Aber dennoch scheint es erwähnenswert, dass die Zürcher Polizei den Gang an jene Demonstration, die sie selbst bewilligt hatte, verweigert. Beispielsweise weil ihr die Frisur bestimmter Personen nicht passte.
Das ist keine Polemik. Tatsächlich dreht es sich um die Frage, wer der Polizei genehm erscheint und wer nicht. Da die Wegweisung vor einer potentiellen Straftrat erfolgt, ist sie willkürlich. Es obliegt der Polizei zu entscheiden, wer die potentiellen «StraftäterInnen» sein könnten. Und was ein durchschnittlicher Zürcher Polizist oder eine durchschnittliche Zürcher Polizistin als störend betrachtet, liegt auf der Hand. Es sind Linke oder solche, die sie für Linke halten.
Das Corps ist rechtslastig, auch das ist keine üble Nachrede, sondern bewiesene Tatsache. Aber auch wenn es keine soziologischen Studien zu diesem Thema gäbe, wäre es ein klarer Fall, denn wer macht schon den Schutz von Kapital und seinem Staat zum Beruf, wenn nicht konservativ denkende Personen, die gerne auch mal austeilen?

Am Nachmittag wurde es dann noch wilder. Da wurden dann einfach möglichst viele weggewiesen. Auf die Frage hin, wie sich das denn begründen lasse, erhielt man die Antwort: «Man ist halt nicht im Kreis 4 am ersten Mai». Tatsächlich eine sehr ehrliche Antwort, seitens des Repressionsapparats und ein Eingeständnis, wofür der Wegweisungsartikel eingeführt worden ist.
So werden die potentiellen DemonstrantInnen einige Stunden lang hingehalten. Falls sie trotz Wegweisung wieder auftauchen sollten, machen sie sich strafbar und werden eingesperrt. Alleine durch ihre Anwesenheit, sind sie kriminell geworden, ohne dass sie bei einer Straftat erwischt werden müssten oder ohne dass eine solche gegen sie konstruiert werden müsste. Nebenbei wird noch emsig die Datenbank gefüttert.

Total wurden 269 Personen stundenlang festgehalten und daraufhin weggewiesen. Die Polizei verkündete im Nachhinein grossmütig, diese hätten nicht mit Strafverfahren zu rechnen. Natürlich nicht. Weggewiesen wird nur, wem sie sicher nichts nachweisen können. Jene, bei denen sie die Chance einer Strafverfolgung wittern, werden hingegen verhaftet.

Von Versammlungsfreiheit kann in der Schweiz ohnehin keine Rede sein, mit dem Wegweisungsartikel ist sie zur leeren Worthülse geworden.