Beitrag zur Profitratendiskussion

Ergänzung zum Artikel „Marx nicht auf Philosophie reduzieren!“ in aufbau 65, Mai/Juni 2011

Profitratenanalysegruppe (PRAG): Discussion Paper No. 4: KATHRIN DEUMELANDT: PROFITRATENENTWICKLUNG EMPIRISCHE BEFUNDE FÜR DEUTSCHLAND, DIE USA UND SCHWEDEN

Die Profitratenanalysegruppe (PRAG) ist eine Forschungsgruppe am Zentrum für Ökonomische und Soziologische Studien (ZÖSS) an der Hamburger Universität zur Beobachtung der Entwicklung der Profitrate im Kontext des Gesetzes vom tendenziellen Fall der Profitrate (tFPr). Die Forschungsgruppe ist im Jahr 2005 gegründet worden und steht unter der Leitung von Prof. Dr. Harald Mattfeldt. Die Gruppe setzte sich zunächst aus Teilnehmern der ersten Lernwerkstatt des interdisziplinären Masterstudiengangs "Ökonomische und Soziologische Studien" am Departement für Wirtschaft und Politik zum Thema "Regulierung" zusammen. Die aktuellen Mitglieder sind Studierende und Absolventen des Departements für Wirtschaft und Politik (DWP), ehemals Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (HWP).

Einleitung

Der Versuch, Konzepte der marxistischen Kritik der politischen Ökonomie empirisch zu begründen, ist zu begrüssen. In der Arbeitsgruppe sind Fähigkeiten akkumuliert, die uns als politischer Organisation einstweilen fehlen: Die Fähigkeit zur empirischen und statistischen Analyse vorhandener Wirtschaftsdaten und ihre mathematische Auswertung.

Die AutorInnen stehen ihrem Vorhaben mit Recht zunächst kritisch gegenüber: „Heute lässt sich das Gesetz von der tendenziell fallenden Profitrate ebenfalls nicht ohne weiteres nachprüfen, da sich die Marxschen Kategorien als solche nicht unmittelbar aus den offiziellen Statistiken ablesen lassen, u.a. deshalb, weil die dort vorfindbaren Zeitreihen nicht in der Dimension Arbeitswert notiert werden, sondern als Preisgrößen.“

Das ist tatsächlich der Knackpunkt eines solchen Projektes, auf den wir nun ausführlicher eingehen.

Grundsätzliche Probleme der empirischen Überprüfung marxistischer Konzepte

Die Marx’sche Methode in der Kritik der politischen Ökonomie beruht nicht einfach auf empirischen Analysen, sondern auf Abstraktion. Bei der Warenanalyse wird vom Gebrauchswert abstrahiert, um den Begriff des Wertes zu erschliessen, der „unfassbar ist als Wertding“ (Das Kapital I, 62). Bei der Arbeit wird vom konkret nützlichen Charakter derselben abstrahiert, um auf die „abstrakt menschliche Durchschnittsarbeit“ als Grundlage des Wertbegriffs zu kommen, ein Begriff, der zusätzlich eine historische und moralische (vom Klassenkampf abhängige) Dimension besitzt. Auch der Wert der Arbeitskraft wird durch Abstraktion erschlossen, und daher auch der Mehrwert, Grundlage des Verwertungsprozesses, bei dem vom konkreten Arbeitsprozess abstrahiert werden muss. Das Konzept der Durchschnittsprofitrate entspricht ebenfalls einer Abstraktion, und dementsprechend auch das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate.

Wenn von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe, aber auch von Michael Heinrich (Kritik der politischen Ökonomie. Eine Einführung. Reihe Theorie.org, Stuttgart, Schmetterling Verlag 2004) oder Lucas Zeise (Marxistische Blätter 06/2009, 86-91) gesagt wird, Marx habe das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate nicht empirisch überprüft, so gilt das in gleicher Weise für alle seine zentralen Konzepte. Dies obschon Marx durchaus die damaligen Wirtschaftszahlen gesammelt, studiert, überprüft und in seinen Texten beispielhaft angeführt hat, um zumindest darlegen zu können, dass seine Konzepte nicht im offensichtlichen Widerspruch zu den Zahlen stehen. Mehr noch: „Ich habe verschiedene Male versucht – zur Analyse der Krisen  , diese ups and downs als unregelmässige Kurven zu berechen und geglaubt (ich glaube noch, dass es mit hinreichend gesichtetem Material möglich ist), daraus die Hauptgesetze der Krisen mathematisch zu bestimmen.“ (Marx an Engels, 31.Mai 1873, MEW 33, 82, siehe Dunkhase, Marxistische Blätter 1-11, 89-95).

Allerdings: Auch heute widerspiegelt das empirische ökonomische Zahlenmaterial diese Abstraktionen nicht. Es kann nicht in der Wertform ausgedrückt werden, nicht einmal in der Form des Tauschwerts, sondern in aller Regel nur in der Geldform. Diese steht zwar qualitativ insofern in Beziehung zur Wertform, als sie wie diese nur reine Quantität ausdrückt. Sie weicht aber von Wert ab, weil in ihr auch die Einflüsse von Angebot und Nachfrage, der Unterschiedlichkeit verschiedener Währungen sowie der Einfluss von Monopolpreisen, Krisenentwicklungen und Verwerfungen an den Finanzmärkten enthalten sind – alles Einflüsse aus der Zirkulationssphäre, während der Wert ausschliesslich in der Produktionssphäre entsteht. Immerhin: Die in Geld ausgedrückten Grössen nähern sich umso mehr den dahinterliegenden Wertgrössen an, je mehr in makroökonomischen Zusammenhängen, in grossen (womöglich globalen) Wirtschaftsräumen und über längere Zeiträume gedacht und gemessen wird. Dann kann man annehmen, dass Waren (im statistischen Durchschnitt) tatsächlich zu ihren Werten, also gemäss der in ihnen steckenden Arbeitszeitquanten ausgetauscht werden.

Weitere durch Abstraktion erschlossene Konzepte wie notwendige Arbeitszeit, Mehrarbeitszeit, konstantes und variables Kapital (im Gegensatz zu fixem und flüssigem Kapital), Mehrwert- und Profitrate, Produktion von absolutem und relativem Mehrwert spiegeln sich in den rohen Zahlen nicht direkt. Um Annäherungen an diese Konzepte wahrscheinlich zu machen, sind ebenfalls Abstraktionen und Interpretationen notwendig.

Ferner unterscheiden sich der bürgerliche Begriff Arbeitsproduktivität und der marxistische Begriff der Produktivkraft der Arbeit fundamental: Erstere ist nach Gabler (Wirtschaftslexikon, 14. Auflage 1998, auf CD) definiert als “Verhältnis des gesamtwirtschaftlichen Produktionsergebnisses (…) zur Einsatzmenge an Arbeitsleistung (gemessen an der Zahl der Beschäftigten oder an den geleisteten Arbeitsstunden), die benötigt wird, um dieses Produktionsergebnis zu erzielen“. Dieses Produktionsergebnis resp. das gesellschaftliche Gesamtprodukt wird normalerweise in der Geldform ausgedrückt und nicht als Menge an Gebrauchswerten, die pro Arbeitseinheit produziert werden können, wie es dem marxistischen Begriff der Produktivkraft der Arbeit entsprechen würde. Anders ist das nur, wenn die Arbeitsproduktivität beispielsweise als Lohnstückkosten ausgedrückt wird.

Eine weitere Problematik besteht darin, dass die Marx’schen Analysen immer von der abstrakten Vorannahme ausgehen, dass in einer ganzen Volkswirtschaft rein kapitalistisch produziert wird. Demgegenüber bildet das empirische Zahlenmaterial die realen Verhältnisse ab, in denen die kleinbürgerliche Produktion noch eine beträchtliche Rolle spielt. Lohnsummen als Anteile des Volkseinkommens beinhalten nicht nur die Löhne von ArbeiterInnen in mehrwertproduzierenden kapitalistischen Betrieben, sondern auch Löhne, die in kleinbürgerlichen Betrieben bezahlt werden, Löhne von Hausangestellten und auch von Staatsangestellten (LehrerInnen, SozialarbeiterInnen, PolizistInnen). Bei den Profiten sind nicht nur Unternehmensgewinne, sondern auch Einkommen von KleinbürgerInnen aus ihren Betrieben, aber auch Spekulationsgewinne aus den Finanzmärkten enthalten. Man müsste also die vorhandenen Zahlen (z.B. Lohnsummen nach Branchen) sehr genau aufschlüsseln, wenn man eine Profitratenanalyse nur des kapitalistischen Sektors einer Volkswirtschaft machen wollte. Und Dunkhase weist zu Recht darauf hin, dass „die innere Gesetzmässigkeit einer Produktionsweise, die sich weltweit in höchst ungleicher Weise entwickelt, (…) sich im nationalen Rahmen nur in verzerrter Weise widerspiegeln“ kann.

Fehlerhafte Rezeption Marxscher Begriffe

Auf eine erste Fehlerquelle haben wir oben schon aufmerksam gemacht: Wenn die AutorInnen mit dem Begriff der Arbeitsproduktivität arbeiten, entspricht das nicht der Produktivkraft. Sie setzen Arbeitsproduktivität gleich mit „Intensivierung der Arbeit“ (S. 3), was zur Mehrwert- resp. Ausbeutungsrate in Beziehung steht. Deren Erhöhung ist die wichtigste „Entgegenwirkende Ursache“, die unter der neoliberalen Wirtschaftspolitik eine sehr bedeutende Rolle spielt. Dass die Produktivkraftentwicklung (im marxistischen Sinn) im Sektor der Konsumgüter bei dieser Erhöhung die wichtigste Rolle spielt, unabhängig von der Arbeitsintensität, wird nicht thematisiert.

Im Interview mit der Jungen Welt (Wochenendbeilage 17./18. April 2010) wird gesagt, dass bei Marx im Zähler der Profitrate der Mehrwert und im Nenner das Gesamtkapital stehe – „fixes, zirkulierendes und variables Kapital – inklusive Vorleistungen und weitere Aggregate. Im Bruttoinlandprodukt (BIP) sind die Vorleistungen nicht enthalten“. Während letzteres stimmt, ist ersteres offensichtlich falsch: Im Nenner steht das Gesamtkapital C, das sich aus c + v zusammensetzt, wobei (klein) c zwar das zirkulierende konstante Kapital (Roh- und Hilfsstoffe etc.) enthält, aber nur den Teil des fixen Kapitals (Maschinen, Gebäude etc.) der abgenützt wurde (z.B. in einem Jahr). Also keine Vorleistungen!

Ferner heisst es bei den Grundlagen auf S. 2: „Trotz der sinkenden Profitrate kann es jedoch zu einer zunehmenden Profitmasse kommen, weil aufgrund verbesserter Maschinen mehr produziert (und abgesetzt) wird.“ Hier greift die Analyse zu kurz. Zwar werden mehr Waren produziert, aber der Preis der einzelnen Waren sinkt (oft überproportional), so dass allein deswegen sich die Profitmasse nicht ausdehnt. Es braucht dazu die Ausdehnung der Masse und Mannigfaltigkeit derjenigen Gebrauchswerte, die geeignet sind, den Einsatz zusätzlicher Arbeitskräfte zu ermöglichen (also wenn z.B. das Auto vom Luxusgut zum Massengut wird, siehe dazu das Kapital III, MEW 25, S. 258f).

Analyse des Datenmaterials.

Angesichts der oben geschilderten Schwierigkeiten, empirisches Datenmaterial an die Marxschen Konzepte anzunähern, haben wir uns bis anhin damit beholfen, Kategorien der bürgerlichen Ökonomie zu suchen, bei denen wir Grund zur Annahme haben, dass sie zumindest qualitativ ähnlich verlaufen wie die Durchschnittsprofitrate und die organische Zusammensetzung des Kapitals. Für ersteres fanden wir die Kapitalproduktivität, das Verhältnis von Kapitalstock zum Volkseinkommen (Löhne, Gehälter, Gewinne). 1960 brauchte man in Deutschland einen Kapitalstock von etwa 1500 Mrd. DM um 1000 Mrd. DM Volkseinkommen jährlich zu erzeugen (Löhne, Gehälter, Gewinne).
Eine 2,5 fache Sachkapitalausstattung brauchte man 40 Jahre später, um denselben
Umfang an Löhnen und Gehältern zu erzeugen. Das heisst: Mit dem gleichen Kapitalstock wurde 2000 ca. 60 % weniger Volkseinkommen produziert. Das nennt man sinkende
Kapitalproduktivität. Sie ist zwar nicht dasselbe wie die sinkende Profitrate, beruht aber auf der gleichen Grundlage: der wachsenden organischen Zusammensetzung des Kapitals, der in der bürgerlichen Ökonomie die wachsende Kapitalintensität (Kapitalstock pro Arbeitsplatz) in einer Annäherung entspricht. Bei der Deutschen Bank fanden wir dazu eine hübsche Grafik und den Kommentar, dass die Kapitalproduktivität heute nur noch rund der Hälfte ihres Niveaus von 1960 entspreche (www.demotrans.de/documents/DBR_D_Wachstumspotenzial.pdf).

Wir können nur zum Teil nachvollziehen, wie die AutorInnen zu ihren Annäherungen kommen, und zum Teil sind sie offensichtlich falsch.

Profitrate = gesamtgesellschaftlicher Profit im Verhältnis zum Kapitalstock: Der Kapitalstock ist nach unserer Auffassung der Wert des fixen Teil des konstanten Kapitals („Wert des für Produktionszwecke im Jahresdurchschnitt eingesetzten reproduzierbaren Bruttoanlagevermögens an Ausrüstungen und Bauten“, Gabler, a.a.O.), also der Wert der in Produktionsanlagen gebundenen Kapitals. Die so berechnete Profitrate entspräche dann m/Teil von c und hätte mit der Marxschen Profitrate nichts zu tun. Im Nenner stehen bei dieser auch der Wert der Roh- und Hilfsstoffe und das in Löhnen ausgelegte variable Kapital.

Gesamtprofit und Kapitalstock werden nun ins Verhältnis gesetzt zum Volkseinkommen (bezeichnet eine Annäherung an den Wert des gesellschaftliche Gesamtprodukt eines Jahres). Dadurch erhält man die Profitquote, also den Anteil des Profits am Volkseinkommen und die Kapitalquote. Diese entspricht, soweit wir sehen, dem oben erwähnten Begriff der Kapitalproduktivität.

Die Definition von Kapitalintensität (fixes konstantes Kapital zum Volkseinkommen) ist weiter weg von der organischen Zusammensetzung des Kapitals, als die AutorInnen annehmen. Der Kapitalstock plus den Wert der verbrauchten Roh- und Hilfsstoffe müsste ins Verhältnis zu den Löhnen der produktiven ArbeiterInnen gesetzt werden. Bei Einschluss der Rohstoffe vergrössert sich der Zähler womöglich um ein Mehrfaches, und der Nenner wird bedeutend kleiner.

Bei der Formel, in der nun die Arbeitsproduktivität eingeht, wird diese erneut mit der Arbeitsintensität verwechselt, die als ganze in den Zähler gesetzt wird. Das soll offenbar korrigiert werden, indem die Profitquote in die Rechnung eingeht.

Schlussfolgerungen

Offensichtlich spielt es aber nicht so eine grosse Rolle, ob die von PRAG angewendete mathematische Methode im Einzelnen fehlerhaft erscheint oder nicht, denn sie führt zu Resultaten und Kurven, die zu den Kurven über Kapitalproduktivität, die wir jeweils verwenden, parallel laufen und in dem Sinn eine Annäherung an die Profitratenentwicklung darstellen dürften. Die AutorInnen schliessen: „Für den gesamten Untersuchungszeitraum 1960-2006 konnten die empirischen Daten das Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate, wie Marx es beschrieben hatte, nicht bestätigen. Die drei untersuchten Länder – Deutschland, USA und Schweden – wiesen zwar alle eine erste Periode mit fallender Profitrate auf. Diese stabilisierte sich aber ab Mitte der 70er/Anfang der 80er Jahre bzw. stieg sogar an“ (S. 23).

Dagegen meinen wir: Die Kurven stehen in Übereinstimmung mit den Grundlagen, die Marx zum Verständnis der heutigen langdauernden Kapitalüberproduktionskrisen gelegt hat. Einige Faktoren, welche zum Anstieg der Profitraten ab Ende der 1970er Jahre führen, werden ja von den AutorInnen selbst gewürdigt: Die neoliberale Wirtschaftspolitik verstärkt enorm die entgegenwirkenden Ursachen, was schon nach Marx den tendenziellen Fall für gewisse Zeiten umdrehen kann. Die Globalisierung führt zu den massiven Auslagerungen der Produktion und entsprechender weltweiter enormer Erhöhung der Ausbeutungsrate. Da nur Metropolenländer untersucht wurden, kommen zusätzliche Faktoren hinzu, die das Steigen der Profitrate erklären: Produktion der Extraprofite, die mit Monopolpreisen verteidigt werden, Heimführung von Profiten aus den Ländern des Trikonts etc.

Hingegen kann das, was die AutorInnen über die Entwicklung der Kapitalintensität sagen, nicht richtig sein, weil die verwendete Definition nicht der organischen Zusammensetzung entspricht.

Produktivkraftentwicklung (im marxistischen Sinn), Verschärfung der Konkurrenz und steigende organische Zusammensetzung des Kapitals sind weiterhin zentrale Momente, welche sowohl tendenziellen Fall der Profitrate, entgegenwirkende Ursachen und Ausdehnung der Masse des Profits verursachen. Wenn wir also seit 40 Jahren keine sinkende oder evtl. auch eine ansteigende Profitrate erhalten, braucht das in keiner Weise die langfristige, säkulare Tendenz der Profitrate zum Fallen zu widerlegen. Es ist, ähnlich wie beim langen Nachkriegsaufschwung, eine historisch einmalige Situation, die für dieses vielleicht auch längerfristige Ansteigen verantwortlich sein dürfte: Nach dem Ausbruch der chronischen Kapitalüberproduktionskrise der Übergang von der nachfrageorientierten zur angebotsorientierten Wirtschaftspolitik, Auslagerung der Produktion in Billiglohnländer mit global ungeheurer Verschärfung der Ausbeutung, Zusammenbruch des Realsozialismus und nachholende Entwicklung von Ländern wie China, Indien und Brasilien, konstanter Druck auf die Rohstoffpreise, Liberalisierung des Welthandels. Früher oder später werden diese Faktoren an ihre Grenzen stossen und das eintreten, was Marx so ausdrückte: „So wirkt das Gesetz nur als Tendenz, dessen Wirkung nur unter bestimmten Umständen und im Verlauf langer Perioden schlagend hervortritt“ (Das Kapital III, 249).

Unseres Erachtens bestätigen die von PRAG erhobenen Daten das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate, wenn man dabei die Wirkung der entgegenwirkenden Ursachen gebührend in Betracht zieht.

PS: Nach Fertigstellung dieser Stellungnahme nehmen wir Kenntnis vom Artikel von Rodney Edvinsson (Associate Professor in the Department of Economic History at Stockholm University): A Tendency for the Rate of Profit to Fall? From Primitive to Flexible Accumulation in Sweden 1800-2005, Review of Radical Political Economics 42(4) (2010), 465–484, http://rrp.sagepub.com/content/42/4/465.abstract.

Das ist nun die positive Überraschung:

Die Marx-Rezeption des Autors weist die Fehler nicht auf, die wir oben angeführt haben. (Bei der Arbeitsproduktiv verwendet er allerdings auch die bürgerlichen Daten (S. 481, auch 476, ohne zu hinterfragen. Das fliesst aber nicht in die Auswertungen ein.)

Er untersucht historische „nationale Buchhaltungsdaten“ von 1800 bis 2005, die er leicht zur Verfügung hat, weil er selber eine Webseite über historische statistische Daten unterhält. http://www.historicalstatistics.org/

Er erwähnt einige der von mir oben aufgelisteten Probleme, die beim Abgleich marxistischer Kategorien mit statistischen Daten entsteht, z.B. „For example, national accounts do not distinguish between capitalist and non-capitalist sectors and there is a difference between the profit rate based on national account data and based on business account data.“ (S. 467) Oder: „The profit rate is not a physical relation between things, but a social relation between exchange values.“ (481).

Er kommt ebenfalls auf die Kapitalproduktivität als Vergleichsmass zur Profitrate und liefert dafür eine zusätzliche Begründung: „One problem with Marx‘s theory is that the rise in the rate of exploitation theoretically can be sufficient to offset any putative increase in the value composition of capital. As David Laibman argues, a better expression to catch the effect on the profit rate is the capital/output ratio, where the constant capital stock is related to the ‘flow of living labor’ or the value of the whole net product (variable capital plus surplus value, instead of only variable capital), which is invariant to changes in the rate of exploitation. » (S. 471).

In einem Anhang dokumentiert er sehr genau die Quellen, aus denen er sein Zahlenmaterial hat.

Ein genaueres Studium muss noch geleistet werden, aber die Schlussfolgerungen sind überzeugend. Zitat Abstract:

"Using Swedish historical national accounts, this paper shows that, up to the 1970s, there has been a secular rise in the national capital/output ratio and a secular fall in the rate of exploitation, which tended to depress the profit rate. In Sweden, the nominal capital/output ratio increased fastest during the transition from primitive to accelerated accumulation in the 19th century. Since the 1970s, these secular trends have been reversed, which is connected to flexible accumulation that slims down the inventory stock to a minimum and destroys old consensus between capital and labor."

März 2011