Interview mit der FIP aus Rio

Interview der AG Klassenkampf des revolutionären Aufbaus mit der Frente Independente Popular aus Rio de Janeiro (Mai 2014)

Frage: Wie sieht die Situation im Moment aus? So weit wir wissen nahmen anfangs auch Personen aus dem rechten Spektrum unter dem Banner der „Anti-Korruption“ teil, wie sieht die Situation mit diesen politischen Kräften aus? Und wie geht ihr damit um, dass auch die rechten Organisationen versuchen eure Themenfelder zu besetzen?

Antwort: Anfangs gab es tatsächlich einen Versuch von rechten Kräften die Proteste gemäss ihren Interessen zu lenken. Weil sie diesbezüglich ohne Erfolg blieben, gingen sie aber wieder dazu über die Proteste anzugreifen und zu verurteilen. Zum aktuellen Zeitpunkt haben opportunistische und an den Wahlen teilnehmende revisionistische Kräfte die Proteste verlassen oder verurteilen diese immer wieder als „Vandalen“ und „gewalttätig“, manchmal sogar als „faschistisch“. Diese Entwicklung zeigt sich in Rio de Janeiro vor allem nachdem sich die parlamentarische Linke durch eine Reihe von Ereignissen von den Rechten in unsere Ecke gedrängt fühlte. Wir selbst versuchen uns von den rechten Kräften, welche aktuell nicht mehr an den Protesten auf der Strasse teilnehmen, durch eine klare Positionierung, wann immer wie öffentlich auftreten, mit unseren Zeichen und Symbolen abzugrenzen. Beispielsweise bezüglich den Wahlen: So verurteilen Teile der Rechten diese ebenfalls, aber sie fordern dabei einen Militärputsch. Wir dagegen entwickelten gemeinsam die Parole „wählt nicht, sondern kämpft für die Revolution.“

Frage: Gibt es einen Weg, die verschiedenen Kämpfe zu verbinden? Beispielsweise der Kampf gegen die Gentrifizierung, die Arbeitskämpfe und den Frauenkampf?

Antwort: Wir versuchen all diese Formen des Kampfes zu verbinden, auch wenn wir wissen, dass keine dieser vorliegenden Probleme im Kapitalismus ohne Revolution gelöst werden kann. Wir glauben, dass die aktuelle Kampagne „Não vai ter copa“ („Die WM wird nicht stattfinden“) all diese Formen des Kampfes erfasst. Beispielsweise bezüglich des WM-Sponsor Adidas, die mit Frauen als Tourismusattraktion warben, was dazu führte, den Kampf gegen die WM auch als Feld zu verstehen, wo der Frauenkampf ein zentrales Thema ist.

Frage: Gibt es eine spezifische Organisierung unter den Favela-BewohnerInnen gegen die Aufwertung ihrer Quartiere?

Antwort: Die bisher stattfindenden Strassenkämpfe waren stets ein Ergebnis der objektiven Lage. Wir glauben, dass nach dem Juni und Juli 2013 (Anmerkung: Dies war der letztjährige Beginn der grossen sozialen Proteste in Brasilien) die Leute erkannt haben, dass radikale Aktionen am effizientesten sind. Gleichzeitig glauben wir auch, dass die radikalsten Methoden und Formen, welche aktuell auf der Strasse angewandt werden, die Konsequenz aus den Lehren der Geschichte des Kampfes der ausgebeuteten Menschen ist. Es scheint der Bevölkerung zunehmend bewusst zu werden, dass ihre individuellen Probleme nicht punktuell zu lösen sind. Der Beweis hierfür sehen wir darin, dass auch in den aktuellen Protest der ärmsten ArbeiterInnen die Parole „Não vai ter copa“ gerufen wird.

Frage: Ist es so, dass die grossen Städte, wie Rio de Janeiro, das alleinige Zentrum der Proteste sind oder gibt es eine grosse Koordination zwischen den verschiedenen Städten?

Antwort: Weder noch, wir befinden uns aber erst in der Anfangsphase einer grösseren Koordinierung. Dies passiert aktuell durch verschiedene Kollektive und Organisationen, die unseren Grundsatz teilen oder mit unseren Kampagnen und Kämpfen sympathisieren, auch wenn viele der Organisationen nicht in mehreren Städten gleichzeitig verankert sind. Rio war insofern ein Zentrum, weil es angesichts mehrerer verschiedener Kampffelder mehrere intensive und radikale Formen des Protestes gab. Hierbei organisiert die Frente Independente Popular seit August des letzten Jahres die Proteste gegen die kommende WM.

Weitere Infos: Frente Independente Popular: http://frenteindependentepopular.wordpress.com/