«Auf den Schlachtfeldern lernten wir zu kämpfen»

Artikel zur revolutionären Frauenorganisation KAMS (Indien) aus der Vorwärts Ausgabe zum 8. März 2015.

INDIEN/AUFRUF Im Zusammenhang mit dem 8. März sowie der internationalen Kampagne gegen die staatliche Militäroffensive «Green Hunt» stellen wir die KAMS, eine Frauenorganisation aus Indien vor. Oder besser gesagt, wir lassen diese sich selber vorstellen.

(aufbau In Dandakaranya, einem Waldgebiet im Zentrum Indiens, das sich über die Grenzen von sieben Bundesstaaten erstreckt, ist seit Jahrzehnten ein Volkskrieg im Gange. Geführt von maoistischen RevolutionärInnen, die sich 2004 zur Communist Party India (Maoist)vereinigten, kämpfen indigene Völker (die Adivasi) und besitzlose Bauern in den entlegenen und schlecht entwickelten Regionen für den Aufbau einer Gesellschaft jenseits der Unterdrückungsverhältnisse und der Kasten- und Klassengesellschaft.

Die KAMS (Revolutionäre Adivasi Frauenorganisation), welche mit rund 90’000 Mitgliedern eine der grössten revolutionären Frauenorganisationen der Welt ist, kämpft gegen Frauenunterdrückung durch das Kastenwesen und traditionelle patriarchale Stammesregeln, gegen sexuelle Gewalt an Frauen, für emanzipierte Geschlechterverhältnisse. Der vorliegende Text stammt von der KAMS selbst, wir haben ihn frei übersetzt und gekürzt. Der original Wortlaut ist zu finden auf: http://revolutionaryfrontlines.wordpress.com/2010/03/26/appeal-from-kams-revolutionary-adivasi-womens-organization/

Aufruf der Krantikari Adivasi Mahila Sangathan

Lasst uns gemeinsam den bevorstehenden, faschistischen Angriff auf die Frauen von Dandakaranya und ihre Massenorganisationen zurückschlagen!

Liebe FreundInnen

Die KAMS arbeitet in den Wäldern Dandakaranyas, ein Gebiet, das von ca. 4 Millionen Menschen bewohnt wird. Die Bevölkerung in diesem Gebiet ist sehr heterogen zusammengesetzt, so leben zahlreiche Stammesvölker und Minderheiten verschiedener Nationalitäten hier. Die Frauen arbeiten 16 Stunden am Tag auf dem Feld, zu Hause, als Arbeiterinnen, sammeln Erzeugnisse des Waldes etc., alle Rechte werden ihnen verweigert. Die Frauen sind in eine minderwertige Position in der Gesellschaft verbannt. Die herrschenden Klassen der feudalistischen Kompradorenbourgeoisie[i], unterstützt von den Imperialisten, sind verantwortlich für die fortwährende Ausbeutung und Unterdrückung der Frauen, da sie es sind, die das Patriarchat in unserer Gesellschaft verankern.

Diese Verhältnisse herrschten, als die revolutionäre Bewegung 1980 in diesem Gebiet aktiv wurde.

So arbeitet die KAMS in Dandakaranya seit 30 Jahren mit dem Ziel, die Frauen zu befreien. Sie mobilisierte und führte die Frauen in Kämpfen gegen Forstbeamte und Fabrikmanager, erkämpfte bessere Arbeitsbedingungen für Tentublatt Sammlerinnen und bekämpfte sexuelle Ausbeutung und Gewalt durch auswärtige Händler. Die KAMS war jenen jungen Frauen eine helfende Hand, die sich gegen die Unterdrückung durch das Stammespatriarchat wehrten. Die KAMS rief die Adivasi Frauen dazu auf, für die Befreiung der Frauen zu kämpfen und unterstützte Schwesterorganisationen. Sie mobilisierte Frauen, um sich gegen die Polizisten, die ihre Dörfer angriffen, zu wehren, und diese zu verjagen.

Das Land denen, die es bebauen

Die KAMS gibt der Revolutionären Bewegung in Dandakaranya ihre volle Unterstützung, die für folgende Ziele kämpft: Das Land denen, die es bebauen; Den Wald den Adivasi; Die Staatsmacht den unterdrückten Menschen; Befreiung der Frau!

Die KAMS arbeitet Schulter an Schulter mit gleichgesinnten Massenorganisationen im bewaffneten Kampf und in der Propaganda gegen die ausbeuterische Regierung und ihre Armee. Wir nehmen aktiv an den Wahlboykotts teil mit dem Ziel, die Volksmacht aufzubauen als Alternative zur parlamentarischen Politik, in die wir jedes Vertrauen verloren haben. Die herrschenden Klassen, die dies nicht tolerieren können, üben brutale Gewalt aus gegen die Adivasi Frauen.

Die KAMS unterstützt alle Kämpfe der unterdrückten Menschen gegen die ausbeutenden, herrschenden Klassen, nicht nur in Dandakaranya sondern in ganz Indien und international. Wir unterstützen nationale Befreiungsbewegungen, die sich in der Vergangenheit in Indien wiederholt formiert haben. Auch der Kampf für politische Gefangene war immer ein Teil unserer Politik.

Als die CPI(Maoist) von der Zentralregierung für illegal erklärt wurde, schloss dieses Verbot die KAMS mit ein, eine revolutionäre Massenorganisation, die die Politik dieser Partei unterstützt.1990 begann der Staat, unsere Organisation systematisch zu terrorisieren. Durch die Einführung diverser Gesetzesartikel wurden unsere Aktivitäten behindert, Tausende von Adivasifrauen der KAMS wurden seither eingesperrt. Manche sitzen seit 1990 hinter Gitter, verurteilt zu lebenslangen Haftstrafen, da die Regierenden nicht dulden, dass ihre Autorität in Frage gestellt wird. Aktivistinnen erlitten unsagbare Qualen in den Gefängnissen, seit 1990 verschwanden viele Mitglieder der KAMS spurlos.

«Operation Green Hunt»

Um das Volk von Dandakaranya daran zu hindern, sich weiter zu organisieren, starteten Grossgrundbesitzer, Regierungen verschiedener Distrikte und Bundesstaaten in Zusammenarbeit mit Unternehmungen wie Tata group blutige Repressionskampagnen. Unter dem Banner von Salwa Judum[ii] jagten uns paramilitärische Einheiten – Häuser, Felder, Hütten, Pfade, Bäume, Büsche, kein Platz war mehr sicher für uns. Die Naga-, Mizo- und CRPF-Einheiten[iii] zerhackten unsere Körper, unsere Brüste wurden abgehackt, unsere Geschlechtsteile wurden mit scharfen Waffen durchstochen und schwangeren Frauen wurde mit Bayonetten der Bauch aufgeschnitten. Die Tatsache, dass eine oder mehrere Frauen in fast jeder Familie vergewaltigt wurde, zeigt die Dimension der sexuellen Gewalt. Und als ob dies nicht alles schon genug wäre, bereitet sich der Staat jetzt auf eine massive Offensive gegen uns vor – die «Operation Green Hunt»[iv].

Viele Intellektuelle und DemokratInnen standen uns zur Seite um den faschistischen Angriff zu besiegen, der von den herrschenden Klassen durch Salwa Judum geführt wurde. Das «Komittee gegen Gewalt an Frauen» bildete eine nationale Organisation um die Öffentlichkeit zu informieren und die faschistische Gewalt an uns zu verurteilen. Die Mitglieder der Nationalen Frauenkomission verurteilten die Grausamkeiten und die sexuelle Gewalt an den Frauen in Dandakaranya. Jede, noch so kleine Unterstützung, die wir in dieser Zeit von jenen erhielten, die zu uns standen, gab uns Kraft und Selbstvertrauen. Die Leute sagen, Unterdrückung führt immer zu Widerstand. Wenn wir Salwa Judum nicht besiegen, werden wir schutzlos sein. Wenn wir nicht kämpfen, können wir diese Rechte, die wir in den letzten 25 Jahren des Kampfes erstritten haben, nicht verteidigen.

Im Zusammenhang mit Parlamentswahlen liessen die Regierungen der Bundessstaaten in Dandakaranya 500 Kompanien Paramilitärs und 8 Batallions der Aufstandsbekämpfungseinheiten CRPF (central reserve police force) in Dandakaranya aufmarschieren. Die Grey Hounds, die im Nachbarbundesstaat Andhra Pradesh für die Massakrierung und Massenvergewaltigung von hunderten von RevolutionärInnen verantwortlich sind, dringen bereits über die Grenzen ihres Bundesstaates und jagen uns hier, plündern unsere Dörfer und brennen sie nieder. Die Zentralregierung hat Cobra-Batallione aufgestellt mit dem Ziel, die revolutionäre Bewegung komplett auszulöschen, unsere nackte Existenz zu zerstören um an die Bodenschätze zu gelangen, die in den Gebieten, die wir bewohnen, so reichlich vorhanden sind.

Wir bitten alle demokratischen Frauen, Massenorganisationen und Menschen, uns in welcher Form auch immer beizustehen, diesen ungerechtfertigten, unmenschlichen, undemokratischen und grausamen Angriff zu verurteilen, welchen die ausbeutenden herrschenden Klassen gegen uns führen wollen.

Solidarisch, Krantikari Adivasi Mahila Sangathan (KAMS), Dandakaranya,Oktober 2009.

Wer sich über die Internationale Kampagne gegen die Operation Green Hunt informieren will, siehe folgende Webseite: http://www.icawpi.org/

Kasten:

Politische Gefangene in Indien

Die Zahl der politischen Gefangenen in indischen Gefängnissen ist unklar, es sind jedoch sicherlich Zehntausende, oftmals ohne Prozess oder nachgewiesene Straftaten. Indiens Premierminister liess 2011 verlauten, es sei wichtig, 100’000 Adivasi aus dem Gefängnis zu entlassen, die dort ohne Prozess ihr Dasein fristen. (Nicht etwa, weil diese Ungerechtigkeit ihn stört, sondern um weitere Adivasi davon abzuhalten, sich den MaoistInnen anzuschliessen.)

Koordiniert mit der aktuellen Militäroffensive «Operation Green Hunt» scheint der indische Staat auch eine Repressionskampagne gegen MenschenrechtlerInnen, JournalistInnen und andere Stimmen in Indien zu verschärfen, die sich gegen die brutale Vorgehensweise des Staates und seiner Paramilitärs gegen die indischen Völker einsetzen. So wurde auch die Schriftstellerin Arundhati Roy Ende 2010 wegen Volksverhetzung angezeigt, nachdem sie an einer Konferenz für ein freies Kashmir teilgenommen hatte. Zahllose weitere Beispiele für Indiens Klassenjustiz liessen sich anfügen.

In breiten Kreisen regt sich Widerstand für die politischen Gefangenen, sowohl in Indien als auch international finden immer wieder Kundgebungen in etlichen Grossstädten Europas, den USA und Kanada, als auch in Asien selbst statt.

 


[i]     Bourgeoisie, die mit dem imperialistischen Kapital zusammenarbeitet

[ii]    Von der Regierung aufgebaute bewaffnete Bürgerwehr

[iii]   Spezialeinheiten zur Aufstandsbekämpfung

[iv]   Militäroffensive mit 200’000 Polizei- und Armeekräften gegen die Adivasi und die CPI(Maoist)