Gegen den Klimagipfel der UmweltzerstörerInnen

Vom 30. November bis 11. Dezember 2015 findet in Paris die 21. UN-Klimakonferenz (21st Conference of the Parties, kurz COP 21) statt. Ziel der Veranstaltung ist es, zwischen den 195 Mitgliedsstaaten eine neue Klimaschutz-Vereinbarung zu erzielen. Weil die Herrschenden dabei aber keine Lösungen für die gesellschaftsbedingten Klimaprobleme anbieten können, rufen verschiedene Bündnisse, trotz der Anschläge in Paris, dazu auf, die Konferenz aktiv zu stören.

Die diesjährige Klimakonferenz soll das grösste aller bisherigen Treffen werden. Über 120 Staatsvorsitzende und bis zu 40‘000 Delegierte werden erwartet, um nach den unzähligen Vortreffen dafür zu sorgen, dass sich die Länder auf einen Nachfolgevertrag für das 2005 in Kraft getretene Kyoto-Protokoll einigen können. Dass es dabei gerade diejenigen mächtigen westlichen Länder sind, die vor der Klimakonferenz medial inszeniert so tun, als wollten sie in Paris unser Klima retten und daneben gleichzeitig neue globale Freihandelsabkommen, wie beispielsweise das Transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP), vorantreiben, verdeutlicht einmal mehr, mit welcher Scheinheiligkeit sich die Herrschenden im Bereich der Umweltthematik bewegen. Denn so sind es gerade die in solchen Abkommen vorgesehenen Machtmittel des Kapitals, wie beispielsweise das dem TTIP integrierte «Investorenklagerecht», die es Unternehmen zukünftig zusätzlich erleichtern werden, im Ringen nach Profiten verstärkt gegen gängige Umweltstandards vorzugehen.

Das kapitalistische Klima

Nicht nur wegen dieser Doppelmoral der Industrieländer lassen sich die Klimaerwärmung und die Umweltproblematik auch ohne komplexe Abstraktionsbewegung auf die kapitalistische Produktionsweise und ihre Profitlogik zurückführen. Insbesondere die grossen multinationalen Unternehmen tragen dabei eine Verantwortung für die negativen Veränderungen in der Umwelt. So belegt beispielsweise eine wissenschaftlich breit anerkannte Studie, dass zwischen 1751 bis 2010 alleine 90 Konzerne für rund 63 Prozent der Kohlendioxid- und Methan-Emissionen verantwortlich waren. Und dass der Profithunger eine rücksichtslose Ausbeutung der Menschen und der Natur mit sich bringt, ist nach den zahlreichen vom Menschen verursachten Umweltkatastrophen ebenso kein grösseres Geheimnis mehr.

Dabei handelt es sich beim Klimawandel nicht einfach um eine naturwissenschaftlich messbare Grösse, sondern um eine gesellschaftliche Krise globalen Ausmasses. Alleine die erwarteten Zahlen für die klimabedingte Fluchtbewegung bis 2050 schwanken zwischen 50 und 350 Millionen, nicht eingerechnet diejenigen, die sich eine Flucht nicht leisten können und daher unter Umständen ein entsprechendes Unglück nicht überleben. Ebenso hat die von der kapitalistischen Ordnung verursachte Klimaerwärmung immense Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion. Wo aufgrund klimatischer Veränderungen weniger Regen fällt, steigen gleichzeitig die Nahrungsmittelkosten, da somit auch die wirtschaftliche Grundlage der Agrarproduktion wegfällt. Deswegen warnte die Weltbank unlängst davor, dass wenn die Erderwärmung nicht gestoppt werden kann, bis zu hundert Millionen Menschen neu in die extreme Armut rutschen könnten. Doch statt die bisherige Klimapolitik in Paris zu überdenken, wird der bekannte Weg fortgeführt. Dies bedeutet, dass wie bis anhin der Markt die gegenwärtigen Klimaprobleme lösen soll.

Die Regeln des Marktes

Doch dass dieser nicht fähig dazu sein kann, müsste spätestens seit dem 2005 in Kraft getretenen Kyoto-Protokoll ersichtlich sein. So hat der darin als klimatischer Regulationsmechanismus vorgesehene Handel mit Emissionsrechten weder zu einer Stabilisierung beim Ausstoss von klimaschädlichen Abgasen noch zur Verbesserung der Umweltlage beigetragen. Das einzige Ergebnis von Kyoto ist die Generierung von neuen Märkten und Anlagemöglichkeiten. Kein Wunder unterstützen auch weltweite UmweltverschmutzerInnen wie die Energieriesen BP oder Shell das Abkommen nach Kräften.

Um die Klimaerwärmung zu stoppen, kennt das Kyoto-Protokoll dabei mehrere Mechanismen. Der bekannteste davon ist der Handel mit Emissionsrechten. Dabei erhalten die teilnehmenden Länder entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistung einen Anteil an Emissionsrechten, die bestimmen, wie viel Treibhausgase in die Atmosphäre abgegeben werden dürfen. Die Idee dahinter ist, dass sich neue Rechte kaufen muss, wer mehr ausstossen will. Wer aber weniger klimaschädliche Abgase ausstösst, kann seine Rechte wiederum verkaufen. Dadurch sollten die Unternehmen animiert werden, in Umwelttechnologien zu investieren. Dumm nur, dass der Markt nicht ganz so funktioniert, wie ihn sich die entsprechenden Klima- und WirtschaftstheoretikerInnen vorgestellt haben.

So sahnen mittlerweile über den Handel mit Emissionsrechten gar solche Unternehmen ab, die eigentlich zu den grössten KlimaverschmutzerInnen gehören. Beispielsweise belegt eine deutsche Studie, dass energieintensive Industrieunternehmen wie etwa ThyssenKrupp, BP oder Shell zwischen 2005 und 2014 derart viele staatliche Zertifikate für ihre als regulär betrachtete Wirtschaftsleistung erhalten haben, dass sie am Ende Papiere im Wert von mehr als einer Milliarde Euro übrig hatten, die sie wiederum frei verkaufen und damit einen Profit erzielen durften. Hinzu kommt, dass die für den Emissionsrechtehandel verwendeten Angaben über den Treibhausgasausstoss einzig auf Schätzungen der einzelnen Länder beruhen, die wiederum auf die Angaben der Wirtschaft angewiesen sind. So muss davon ausgegangen werden, dass schon heute viel mehr schädliche Abgase in die Atmosphäre gelangten, als dies offiziell vermittelt wird.

Zwei weitere vorgesehene Mechanismen von Kyoto, die ähnlich miserabel funktionieren, wie der Handel mit Emissionsrechten, sind der Clean Development Mechanism (CMD) und das Joint Implementation (JI). Beim CDM können Industriestaaten und deren Unternehmen in Klimaprojekte in Entwicklungsländern investieren und die erzielte Treibhausgasreduktion daraufhin als eigene Reduktion abbuchen. Bei den JI geht es um dieselbe Idee zwischen zwei Industrienationen. Beide Mechanismen haben bisher aber vor allem dafür gesorgt, dass mehr statt weniger Treibhausgase in die Atmosphäre gelangten und dass einige wenige Unternehmen davon profitieren durften.

So sollen alleine durch den JI-Mechanismus in den vergangenen Jahren 600 Millionen Tonnen zusätzliche Treibhausgasemissionen entstanden sein. Und zwar aus einem einfachen Grund: Wie alle Länder haben auch die ehemaligen Regionen der UdSSR entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistung vertraglich gesicherte Emissionsrechte erhalten. Weil jedoch die Industrie infolge des Systemwandels zusammenbrach, produzierte sie entsprechend weniger Abgase, als Zertifikate ausgestellt worden waren. Daraufhin wurden JI-Zertifikate ausgestellt, die diese Differenz als getätigte umweltschonende Einsparungen markierten. Folglich konnten andere Länder und Unternehmen diese aufkaufen, um sich damit das Recht zu erwerben, selbst entsprechend mehr Abgase produzieren zu dürfen. Was eben geschah, ohne dass tatsächlich jemals etwas an Abgasen eingespart oder Verbesserungen im Umweltbereich erzielt wurden. Der Markt hat sich also selbst ein virtuelles Produkt erstellt, mit dem sich einerseits viel Geld verdienen liess und das andererseits gerade entgegen seiner Intention zu mehr realen Treibhausgasemissionen geführt hat.

Doch auch beim CDM sieht es nicht besser aus. Sie haben zur Folge, dass nicht in den verursachenden Ländern die industrielle Produktion angepasst wird, sondern vor allem in ärmeren Regionen, wo solche Veränderungen weitaus kostengünstiger getätigt werden können. So können dank dem Markt mittlerweile umweltzerstörende Stromproduktionen wie Kohlekraftwerke günstig durch Investitionen in Entwicklungsländer quersubventioniert werden. Dadurch sind statt Verbesserungen im Umweltbereich einzig neue neokoloniale Abhängigkeitsverhältnisse und eine Schar von profitierenden ZwischenhändlerInnen und ProduzentInnen entstanden. Mittlerweile ist zudem bekannt, dass zwischen einem und zwei Dritteln der CDM-Projekte real keine Verringerung von Emissionsgasen mit sich brachten, dass also selbst das, was angeblich in die Umwelt investiert wurde, keine positiven Folgen beinhaltete.

Und die Schweiz?

Dass in Paris diese Politik nun im Namen der 195 Mitgliedsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention fortgeführt werden soll, zeigt deutlich auf, in welchem Interesse überhaupt verhandelt wird. Dabei leistet auch die Schweiz ihren Beitrag. Seit Jahren weibeln ihre DiplomatInnen darum, dass auch zukünftig am Kyoto-Protokoll festgehalten wird. Allerdings unter der Bedingung, dass sich andere Länder ebenfalls vermehrt für den Einhalt der Klimaziele einsetzen. Leistet die Schweiz hier also endlich ihren Beitrag zur Klimafrage? Mitnichten! Zwar wurde tatsächlich erkannt, dass die Umweltproblematik auch etliche Kosten verursachen kann und folglich angegangen werden muss, doch das ist bei Weitem nicht der einzige Beweggrund der Schweizer Delegation in Paris. So setzt sich das SECO (Staatssekretariat für Wirtschaft) beispielsweise schon seit Längerem dafür ein, dass Schweizer Unternehmen ihre Umweltsünden günstig im Ausland kompensieren können. Dieser Forderung schliessen sich auch andere Wirtschaftsvertreter an. So forderte Kurt Lanz, Geschäftsleitungsmitglied von Economiesuisse, kürzlich in der NZZ dazu auf, dass endlich mehr in Projekte im Ausland investiert werden solle, denn die Veränderung im Inland belaste nur die eigene Wirtschaft: «Aus wirtschaftlicher Sicht entspricht eine Politik, die ausschliesslich Kompensationen im Inland fordert, deshalb einer reinen Verschwendung.» All das funktioniert natürlich nur, wenn weiterhin die Mechanismen des Kyoto-Protokolls gelten. Folglich setzt sich auch das SECO für die Umweltbelange ein, wenn auch nicht aus Gründen der Sorge um die Natur, sondern einzig aufgrund der Sorge um die wirtschaftliche Lage der Schweiz.

Gipfeltreffen nie vertrauen

Um den Klimagipfel in Paris nicht ungestört walten zu lassen, wurden verschiedene Bündnisse gegründet, die jeweils unterschiedliche Ansprüche an den Protest formulieren. Das grosse, reformistische Bündnis «coalitionclimat21», das grössere NGOs und Gewerkschaften umfasst und auf eine breite Mobilisierung abzielt, erwartet dabei bis zu 500‘000 TeilnehmerInnen. Es ist dies eine Einschätzung, die angesichts dessen, dass 2014 in New York an der letzten grossen Mobilisierung gegen die herrschende Klimapolitik ebenfalls 300’000 Menschen auf die Strasse gingen, gar nicht so unrealistisch klingt. Allerdings wurde sie vor den Anschlägen am 13. November in Paris getroffen. Die coalitionclimat21 plante bisher Ende November mit dezentralen Protesten zu beginnen, danach einen Gegengipfel auf die Beine zu stellen und am 12. Dezember zu einer Grossdemo zu mobilisieren. Da aktuell jedoch infolge der Attentate alle Demonstrationen durch die französische Regierung verboten wurden, bleibt abzuwarten, wie das reformistische Bündnis darauf reagieren wird.

Daneben existieren aber auch revolutionäre Zusammenhänge, die gegen das Gipfeltreffen mobilisieren. So zielt beispielsweise das revolutionäre, anarchistisch geprägte Bündnis «anticop21» unter der Parole «The COP21 mobilisation will be a social struggle or it will be nothing!» (Die Mobilisierung zum COP21 wird entweder ein sozialer Kampf sein oder gar nichts) auf den gesellschaftlichen Charakter der Klima- und Umweltproblematik. Wie in Basel bei den Mobilisierungen gegen das OSZE-Treffen und die Militärübung CONEX15, thematisieren auch sie neben der Umweltfrage die Militarisierung des öffentlichen Raumes und die damit einhergehende Repression. Es ist dies eine Problemstellung, die sich mit den vergangenen Ereignissen von Paris noch zusätzlich verstärken wird. Anticop21 mobilisiert dabei zwischen dem 28. November und dem 12. Dezember auf kämpferische Aktionstage und Besetzungen von öffentlichen Räumen, deren verschiedene Inhalte am 12. Dezember ebenso in der Abschlussdemonstration zusammenfliessen sollen. Diese Ankündigung hat weiterhin Bestand und lässt sich auch nicht von den auf den Algerienkrieg zurückgehenden, in Folge der Anschläge angewendeten Notstandsgesetzen einschüchtern. Allerdings muss man sich darauf einstellen, dass sich das Programm kurzfristig ändern wird und man sich der Situation anpassen muss. Anticop21 bleiben nicht die Einzigen, die trotz Verboten Wege finden werden, um den Protest aktiv voranzutreiben. So werden sich vor Ort auch weitere revolutionäre Zusammenhänge, beispielsweise aus dem Antifa-Bereich, den Protesten anschliessen. Wie erfolgreich dabei ein solcher Widerstand den widrigen repressiven Umständen trotzen kann, wird sich zeigen. Jedoch ist es auf alle Fälle richtig, sich dem Treffen der Herrschenden nach Kräften entgegenzustellen.