Am Samstag, dem 12. Dezember, fand in Paris der Abschluss des diesjährigen Klimagipfels statt. Die teilnehmenden Länder konnten sich darin auf einen neuen Vertrag einigen. Ein erster Blick zeigt, dass dieser wie erwartet deutlich mehr verspricht, als er tatsächlich enthält. Während die Regierungsbeauftragten über Wochen ihren Triumph aushandelten, fanden in Paris zahlreiche Gegenaktivitäten statt. Auch eine Delegation aus Zürich beteiligte sich an diesen Protesten.
Wenn die Herrschenden zu jubeln beginnen, können wir davon ausgehen, dass keine Lösungen in unserem Interesse ausgehandelt wurden. Eine Aussage, die sich – mag sie auch noch so simpel sein – auch in Paris bestätigt hat. Zwar wird von verschiedenster Seite gelobt, wie zukunftsträchtig und fortschrittlich der ausgehandelte Klimavertrag sei, es wird damit jedoch weder das Klima gerettet, noch grundlegend an den Mechanismen geschraubt, die für dessen Veränderungen verantwortlich sind. Wir können hier nicht den gesamten noch nicht ratifizierten Vertrag kommentieren, die These, dass in Paris wie erwartet nichts gewonnen wurde, lässt sich jedoch anhand einiger ausgewählter Details belegen.
Der zentrale Punkt der Klimavereinbarung besteht darin, die Temperatur um nicht mehr als 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit anwachsen zu lassen. Auch wenn manche ForscherInnen nachvollziehbar darlegen können, dass auch das schon zu viel wäre, könnte man diese Obergrenze wenigstens als Erfolg betrachten. Doch der Vertrag kennt keinen vorgeschriebenen Weg, wie dieses Ziel zu erreichen ist. Es sollen lediglich bis 2018 Pläne entwickelt werden, in denen die einzelnen Länder formulieren sollen, wie sie eine Reduktion von Treibhausgasen bewerkstelligen wollen. Doch eigentlich müsste spätestens im Jahr 2020 der Höhepunkt der CO2-Emissionen erreicht sein, will man die Obergrenze von 1,5 Grad nicht überschreiten. Geht man jedoch von den aktuellen Zusagen aus, dann sind selbst 2 Grad nicht mehr zu erreichen. Da dies den Staaten durchaus bewusst ist, vertagen sie ihre Zusagen schlicht in die Zukunft. Denn in den Hinterköpfen der Staatsvorsitzenden schwebt die Vorstellung, dass es irgendwann möglich sein wird, in die Atmosphäre ausgestossenes CO2 künstlich wieder zu entfernen. Solche Technologien bergen jedoch Gefahren und sind längst noch nicht ausgereift. Auf sie zu setzen, ist schlicht fahrlässig.
Die Macht der USA
Zentrale Bedingung dafür, dass der Vertrag überhaupt zu Stande kam, ist die Tatsache, dass dieser so gut wie keine Sanktionsmöglichkeiten kennt. Zwar müssen die Länder nun jeweils in einem bestimmten Abstand Rechenschaft darüber abliefern, was sie fürs Klima getan haben, allerdings wird der moralische Druck bei diesen Berichten wohl kaum dafür sorgen, dass sich ein Land oder ein Unternehmen den neuen Anforderungen beugen wird. Zumal schon jetzt bekannt ist, wie Länder und Firmen mit Zahlen tricksen, um ihre Klimabilanz auf dem Papier zu verbessern. Hätte der Vertrag jedoch wirksame Sanktionen beinhaltet, wäre er von den Staaten nicht angenommen worden.
So sind beispielsweise Berichte an die Öffentlichkeit gelangt, die davon zeugen, dass die US-amerikanische Delegation den Vertrag fast platzen lies, als sie im Artikel 4 des Vertrages ein „shall“ (soll), statt einem „should“ (sollte) entdeckte. Der Artikel handelt davon, dass sich reiche Industriestaaten Ziele für die Reduktion der Treibhausgasproduktion setzen sollten. Während „shall“ in der Sprache der UN als bindend gilt, gleicht das „should“ einer Art Empfehlung. Der französische Aussenminister und Konferenzleiter Laurent Fabius leitete folglich eine Veränderung des Vertragsentwurfes ein, sodass es in der Endversion nun heisst: „Developed country Parties should continue taking the lead by undertaking economy-wide absolute emission reduction targets.“ Die reichen Länder werden nun zwar gebeten, etwas fürs Klima zu tun, sie können aber nicht dazu gezwungen werden.
Dass die westlichen Nationen aber mit Zwang an sich nicht wirklich ein Problem haben, zeigt eine andere Anekdote des Gipfels. Während den Verhandlungen stellte sich heraus, dass vor allem Nicaragua mit ihrem Vertreter Paul Oquist ein zäher Gegner des Abkommens sein würde. So fordert Nicaragua von den Industriestaaten eine viel grössere Bereitschaft dazu, ihre Treibhausgasproduktion zu verringern. Deswegen weigert sich das Land auch als einziger Staat, nationale Klimaschutzziele zu veröffentlichen. Denn diese seien durch ihre Freiwilligkeit eigentlich Mitursache dafür, dass sich die Welt gar um drei bis vier Grad erwärmen werde. Weil Oquist sich in Paris vor der Schlussabstimmung nochmals explizit gegen den Vertrag und seinen gegenwärtigen Inhalt aussprechen wollte, riefen laut der normalerweise gut informierten Zeitung The Guardian der US-Aussenminister John Kerry und der Kubanische Vorsitzende Raúl Castro persönlich in Nicaragua an, um dies zu verhindern. Dies funktionierte insofern, als dass Oquist zwar nochmals sprechen durfte, aber erst nachdem der Verhandlungsleiter Fabius den aktuellen Vertrag absegnen lies. Nun seien die Details solcher Erzählungen dahingestellt. Doch sie zeugen davon, dass der Vertrag vor allem zustande kam, indem alle verbindlichen Aussagen gestrichen, beziehungsweise durch leere Worte ersetzt wurden.
Die Schweiz bleibt sich treu
Dass der Vertrag voraussichtlich keine grossen Veränderungen für das Klima bringen wird, liegt nicht zuletzt auch daran, dass die Herrschenden trotz einiger Neuerungen in weiten Bereichen beschlossen haben, genau dort weiterzumachen, wo sie vor Paris aufgehört haben. So setzt man beispielsweise erneut darauf, dass der CO2-Ausstoss durch den Handel mit Emissionszertifikaten gesenkt werden kann, auch wenn dieser Weg nicht offiziell im Vertrag vorgeschrieben wird. Dies führte innerhalb kürzester Zeit dazu, dass etliche Marktapologeten sich darüber beklagten, dass der Markt in Paris zu wenig berücksichtigt wurde. Wie schlecht jedoch die Marktlösung bis anhin funktioniert hat und dass dabei vor allem die westliche Wirtschaft profitiert hat, haben wir schon vor einigen Wochen erläutert. Auch die Schweiz bleibt sich dabei treu. So soll zwar zwischen 2020 und 2030 der CO2-Aussstoss um 30 Prozent reduziert werden, allerdings betrifft nur ein kleiner Teil die Emissionen im Inland. Der restliche Anteil soll durch finanzierte Projekte ins Ausland verlagert werden, was wiederum durch günstige Kompensationen, durch zusätzliche Aufträge und durch kommodifizierbares Knowhow der eigenen Wirtschaft zugute kommen wird. Jedoch rufen selbst diese Zahlen von Seiten der Economiesuisse, der SVP und der FDP grossen Widerstand hervor, sodass davon ausgegangen werden muss, dass auch diese Ziele noch verringert werden.
Gegenaktionen
Weil all dies zu erwarten war, fanden schon in den Wochen zuvor zahlreiche Aktionen und Mobilisierungen gegen den Klimagipfel statt. Dabei gab es sowohl Massenaktionen wie auch verschiedene militante Angriffe auf einzelne Akteure der kapitalistischen Ordnung. Die lokalen Kräfte hatten hierbei schon von Beginn weg mit dem französischen Ausnahmezustand zu kämpfen und waren vor allem in den ersten Wochen mit grösseren Verhaftungswellen konfrontiert – mehr zu den Hintergründen dieser Repressionswelle gibt es in der neusten Ausgabe des aufbau zu lesen. Der Höhepunkt sollte eigentlich die Abschlussdemonstration am Samstag dem 12. Dezember darstellen, zu der vor den Anschlägen in Paris noch bis zu 500’000 Menschen erwartet wurden. Jedoch erliess die französische Regierung ein komplettes Demonstrationsverbot, das erst einen Tag vor der Demo gelockert wurde. Das reformistische Aktionsbündnis beugte sich vordergründig diesem Entscheid und mobilisierte fortan zu zwei aufeinanderfolgenden Kundgebungen. So wurde am Samstag zuerst auf der Avenue de la Grande Armée symbolisch eine rote Linie aufgestellt, um zu markieren, welche verschiedenen Grenzen die aktuelle Klimapolitik nicht überschreiten darf oder eben fatalerweise schon überschritten hat. Zudem gab es eine Schweigeminute für alle Opfer der Klimaerwärmung. Danach fand eine zweite Kundgebung vor dem Eiffelturm statt. Auf dem längeren Weg zwischen den beiden Kundgebungsorten formierte sich dann, trotz Verbot, doch noch eine lautstarke Demo, die schliesslich am Ende eine kleine Brücke beim Eiffelturm blockierte. Wobei es sicherlich interessantere Blockadepunkte in Paris gegeben hätte. Dabei beteiligten sich erfreulicherweise trotz Ausnahmezustand an diesem Tag gut 15’000 Menschen, wovon eine grosse Anzahl extra aus dem Ausland angereist war.
Leider muss angemerkt werden, dass die Präsenz revolutionärer Kräfte an diesen offenen Mobilisierungen überschaubar blieb. Dabei hätten sich durchaus Möglichkeiten eröffnet, antikapitalistische Interventionen durchzuführen. Zumindest die spontane Demonstration hätte sich angeboten, um der Mobilisierung gegen den Klimagipfel neben der ökologisch-reformistischen Seite auch ein revolutionäres Gesicht zu verleihen. Dass es durchaus Überlegungen diesbezüglich gab und der Staat auch in seinem Ausnahmezustand angreifbar ist, zeigte eine dritte, unter der Hand durchgeführte Mobilisierung am Samstagabend. Dabei beteiligten sich bis zu 400 Menschen unterschiedlicher politischer Spektren an einer Demo durch die Pariser Innenstadt. Im Gegensatz zum Nachmittag aber, wo sich die Polizei auffällig zurückhielt, versuchte hier ein immenses Polizeiaufgebot die Masse nach kurzer Zeit aufzulösen und begann das Quartier mit ihren Einheiten zu besetzen. Dies gelang jedoch nur halbwegs, denn unterwegs konnten noch einige Wände verschönert und Überwachungskameras aus ihrer Halterung gerissen werden. Ein Grossteil der TeilnehmerInnen konnte sich zudem unbehelligt im Quartier verflüchtigen. Trotz diesen positiven Zwischenpunkten bleibt das Fazit, dass man aus dieser internationalen Mobilisierung, bezogen ausschliesslich auf ihrem Abschlusstag, mehr hätte machen können – und wäre es nur ein revolutionärer Block an der grossen Demo gewesen.