aufbau 83: Weltwirtschaftsforum und Gewerkschaftsbosse unisono

WELTWIRTSCHAFTSFORUM Vom 20. bis 23. Januar 2016 findet wie üblich das WEF-Kapitalistentreffen in Davos statt. Klaus Schwab & Co. wollen die sogenannte 4. Industrielle Revolution in den Griff kriegen.

(gpw) Als eine seiner sechs Ko-Vorsitzenden präsentiert uns Schwab die Generalsekretärin des Internationalen Gewerkschaftsbundes in Brüssel, Sharan Burrow, ehemals Chefin des australischen Gewerkschaftsbundes. Was veranlasst ihn, eine topgesetzte Hilfsagentin des Kapitals aufzubieten? Wahrscheinlich, weil den arbeitenden Klassen offensichtlich nichts Gutes droht, angesichts der diesjährigen Hauptparole «Mastering the Fourth Industrial Revolution – die vierte Industrielle Revolution in den Griff kriegen».

Was ist die vierte industrielle Revolution?

Der «Industrie 4.0», wie diese «Revolution» auch genannt wird, sind mindestens drei oder mehr solche Umwälzungen vorausgegangen: Die Mechanisierung mit Wasser- und Dampfkraft, die Massenfertigung mit Fliessbändern und elektrischer Energie und die Automatisierung mittels Elektronik und IT. Nun folgt die totale Vernetzung von Fertigungsprozessen, Maschinen, Lagersystemen und Betriebsmitteln. Die einzelnen Elemente tauschen dabei selbständig Informationen aus und steuern sich gegenseitig. Diese Entwicklung, welche mit dem Self-scanning in der Migros, bei den Versuchen, die Post dem Empfänger durch eine Drohne zuzustellen, beim Einsatz von Robotern in der Autoindustrie oder bei der Entwicklung von selbstfahrenden Verkehrsmitteln bereits im Gang ist, stellt eine qualitativen Sprung in der Produktivkraftentwicklung dar. Diejenigen Konzerne, welche die Digitalisierung sich als Erste am erfolgreichsten zu Nutzen machen können, werden zunächst durch Senkung ihrer Kosten einen Extraprofit generieren können. Längerfristig werden aber immer weniger Arbeitskräfte ein immer grösseres konstantes Kapital bewegen, was den tendenziellen Fall der Profitrate weiter vorantreiben wird und sowohl ökonomisch wie politisch krisenanfällig ist.

Auswirkungen auf das Proletariat

Für die ArbeiterInnen stehen gigantische Wegrationalisierungen an, welche insbesondere unqualifiziertere Arbeitskräfte sowie Regionen und Kontinente mit einem unzureichenden Bildungssystem treffen werden. Die Reservearmee von Arbeitskräften wird zunehmen, was die Arbeits- und Lebensbedingungen aller noch mehr verschlechtern wird. Wer genügend qualifiziert ist, um seine Arbeitskraft noch verkaufen zu können, wird sich auf flexible Arbeitszeiten einstellen und eine enorme Anpassungsfähigkeit aufbringen müssen. Vernetze Systeme benötigen eine 24-Stunden-Betreuung. Auf der andern Seite gibt es, global gesehen, nach wie vor die einfache Handarbeit, z.T. unter unsicheren und gesundheitsschädigenden Arbeitsbedingungen, in Hinterhöfen, auf Äckern, in Gewächshäusern, in Warenverteilzentren, in Hilfspflege- und Reinigungsberufen etc.. Die Digitalisierung wird den Verlust an Privatsphäre weiter beschleunigen: Elektronische Patientendossiers, Selbstfahrende Verkehrsmittel mit Aufzeichnungsgeräten, Onlineeinkauf mit permanenter Datenregistrierung usw..

Verstärkte Kämpfe sind möglich

Da die Ungleichheit an Vermögen und teils auch an Einkommen nicht kleiner sondern grösser wird, können die KapitalistInnen und ihre Ideologen am WEF noch so lange versuchen, uns mit «sozialer Integration», «inklusivem Wachstum» oder «Schaffung von Millionen von Arbeitsplätzen» sogenannte Lösungen aufzuschwatzen, es nützt nichts. Gemäss einer weltweiten Umfrage des IGB der Jahre 2014/15, bezeichnen die wenigsten Menschen ihre finanzielle Situation als sicher. Ein Grossteil ist der Meinung, dass ihre Arbeit in den letzten Jahren irregulärer und unsicherer geworden sei, und erwartet den Stellenverlust innerhalb von 12 Monaten. Die Menschen hätten das Vertrauen in Ihre Regierungen und Institutionen verloren.

Die Lebensverhältnisse für die Bevölkerung ändern sich nicht grundlegend. Denn die Widersprüche tun sich nicht nur in den Debatten wie zum Beispiel um Kredite der Troika, sondern auch in den Schützengräben auf. Das Sichtbarwerden von weltweiter Kinderarbeit enthüllt die hässliche Fratze der kapitalistischen Ausbeutung von Mensch und Natur. Die ArbeiterInnen in Städten proben den Aufstand, streiken, wehren sich für Lohn, Bildung, Kleinbauern für Landübernahmen. Die Wanderbewegung infolge der aussichtslosen Lebensbedingungen oder von Kriegen können durch keine Zäune aufgehalten werden.

Schönreden und Integrieren

Deshalb setzen das WEF wie auch die Gewerkschaften auf Verharmlosung und Integration. Ver.di-Chef Bsirke sieht nebst Chancen wenigsten auch die Kehrseiten von Industrie 4.0: Ganze Berufsfelder würden von der Arbeitslosigkeit bedroht. Er prognostiziert einen immer grösseren Druck auf die Arbeitenden aufgrund der Kontrollmöglichkeiten der Bosse: «Wenn man über Laptops arbeitet, sind Arbeitsergebnisse vergleichbar». Es bestehe die Gefahr einer «digitalen Prekarisierung», bei der die Arbeitenden von zu Hause aus als «Solo-Selbständige» weltweit um Aufträge konkurrierten (Crowdsourcing). Demgegenüber übt sich die IG-Metall im Schönreden: Sie erhofft sich eine neue Art von Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine, mit neuen Arbeitsformen, erweiterten Tätigkeitsprofilen und mehr Mitbestimmung.

Diesem Trend zur Verharmlosung entspricht auch, dass das WEF statt der «Top Ten Trends», welche letztes Jahr die Ausweitung der Einkommensungleichheit, ein anhaltendes Wachstum der Arbeitslosen, das Fehlen von wirksamer Führung, verschärfte geostrategische Widersprüche und einen intensiver werdender Nationalismus thematisierten, durch 9 «Top-Challenges» ersetzt wurden, welche davon nur noch wenig bis nichts enthalten. Und dies in einer Zeit, in der die Kriegstendenz aufgrund innerimperialistischer Widersprüche ein Ausmass angenommen hat, wie es die Bourgeoisie seit dem «kalten Krieg» nicht mehr erlebt hat. Nicht nur in Syrien stehen sich die «imperialistischen Grossmächte» gegenüber. Die bevorstehende Anti-WEF-Kampagne solle diesem «Weichspülen» der Widersprüche eine Perspektive des Kampfes entgegensetzen.