Callcenter: Unbeschreiblich schlechte Bedingungen

Die Arbeit im Callcenter ist bekanntermassen aufreibend. Hier ein Bericht aus einem Betrieb, der 2017 geschlossen wurde.

Wie würdest du die Arbeitsbedingungen im Callcenter beschreiben?

Die Arbeitsbedingungen waren unbeschreiblich schlecht. Das fing damit an, dass wir nie wussten, wie viele Stunden wir arbeiten. Vertraglich war eine Arbeitszeit von 30-45 Stunden festgelegt. Wir wurden oft nach Hause geschickt, obwohl wir gemäss Arbeitsplan eingeteilt waren. Also hatten wir fast nie einen 100% Lohn. Beim Projekt, für das ich zuständig war, war es zusätzlich so, dass in der Mittagszeit keine Anrufe reinkamen. Wir waren verpflichtet, 90 Minuten Mittagspause zu machen und zusätzlich waren 30 Minuten obligatorisch. Alles unbezahlt. Sogar die Pipi-Pause wurde abgezogen. Im Callcenter können sie das kontrollieren, weil wir uns ja ausloggen müssen, wenn wir das Telefon verlassen, sonst würden Anrufe reinkommen und nicht beantwortet werden.

Wie steht es um den Lohn?

Weil wir oft nicht genug Stunden hatten, war der sehr unsicher. Wir hatten eine Basis von CHF 25.- pro Stunde. Zusätzlich gab es einen Bonus, allerdings haben sie den gern gestrichen. Ein Tag krank und weg war der Bonus! Da kommt man natürlich arbeiten, wenn es irgendwie machbar ist. Druck war üblich, für alles gab es Mahnungen und wer nicht spurte, hatte keinen Bonus und sehr schnell dann auch die Kündigung.

Ist das in anderen Callcentern ähnlich?

Wo ich gearbeitet habe, war es schon übertrieben. Ich selbst habe nur diese Erfahrung, aber ich höre von Kolleginnen, die jetzt an anderen Orten arbeiten, dass es da entspannter über die Bühne geht. Aber auch von solchen, wo es ähnlich schlimm ist.

Wie kam es zur Schliessung?

Sehr sehr schnell! So schnell, dass wir nichts tun konnten. Wahrscheinlich hätten wir sowieso nichts getan, der Zusammenhalt im Callcenter ist schon da, aber alle schauen dann doch zuerst auf sich. Ich verstehe das auch, für viele war der Lohn existenziell. Ein Kollege hatte zum Beispiel sechs Kinder und drei Jobs. Und dann bekommt er die Kündigung, mit einem Monat Kündigungsfrist! Der musste schnell eine neue Stelle finden. Andere haben den Job nur angenommen, weil sie das Arbeitsamt dazu gezwungen hatte. Die waren eher froh über die Kündigung.

War es unerwartet?

Ja total. Unser Projekt hatte wenige Wochen vor der Kündigung eben noch fünf neue Mitarbeiter rekrutiert. Kurz nachdem in Biel eine weitere Filiale eröffnet wurde, hat man uns gesagt, dass Zürich zu wenig Gewinn mache. Das ist auch nicht verwunderlich. Der Chef hatte einerseits eine Offerte zum Dumping-Preis gemacht und sich zusätzlich in den Verhandlungen über den Tisch ziehen lassen. Das führte dazu, dass wir schon bei zwei Stunden zu viel Arbeit pro Tag im Defizit waren. Deshalb wurden auch dauernd Leute zu früh nach Hause geschickt.Im Herbst haben sie die Schliessung angekündigt, am 31.10.2016 wurde ein Konsultationsverfahren eröffnet. Sie waren rechtlich dazu gezwungen, der Entscheid stand. Einen Monat später wurden wir entlassen und der Betrieb per Ende Jahr geschlossen.Auch war die Informationspolitik sehr schlecht, ich denke, sogar gegenüber meinem obersten Chef. Der bekam auch nur Anweisungen. Er hätte sie anders umsetzen können, natürlich, aber grundsätzlich lässt das System wenig Spielraum.

Aus aufbau 89