«Auf der Anklagebank sitzt der kontinuierliche, revolutionäre Kampf» Teil 2

Der Prozess hat stattgefunden, das Urteil ist gesprochen. Auch wir waren in der Zwischenzeit sehr aktiv. Fortsetzung von Teil 1

Wie waren die zwei Prozesstage für dich?

An sich so, wie wir das geplant hatten, unsere Strategie ist aufgegangen. Wir haben einen Boykott gemacht und einen Raum für unsere Inhalte eröffnet. Der Boykott alleine genügt natürlich nicht, er eröffnet einen Raum, aber den müssen wir mit Inhalt füllen. Wir sind mit Genoss_innen aus der türkisch-kurdischen Linken von Zürich, aber auch aus den Städten Basel, Winterthur und dem süddeutschen Raum vors türkische Konsulat gegangen, haben uns getroffen, anschliessend viel diskutiert. Wir zeigen damit, dass uns die Inhalte wichtig sind, und dass wir die Selbstbestimmung behalten. So sind wir nicht auf die Anklagebank gesessen, sondern haben den Spiess umgedreht, sind dahin, wo wir sein wollen. Lustigerweise hat der Richter das richtig verstanden, er hat gesagt: «Die Angeklagte klagt lieber selber an, als dass sie sich anklagen lässt.» Wir nennen das, den Spiess umdrehen.

Wie kam es zu diesem Urteil 14 Monate unbedingt?

Die Kläger haben nochmals gesagt, dass sie nichts haben. Sie wissen eigentlich nicht, was meine Rolle bei diesem Anschlag war. Ich wurde wegen ‚Gehilfinnenschaft‘ verurteilt. Es ist meine lange Geschichte von Militanz und meine Kontinuität, die verurteilt wurde.

Sie haben eine elegante Lösung gesucht, mich anzuklagen, obwohl sie nichts haben und das zeigt klar die politische Dimension dieses Prozesses, der Richter sagt das sogar. Er hat damit den Hunger nach Verurteilung des türkischen Staates gesättigt. Gleichzeitig ist der Staatsanwalt so fein raus. Er hat immer offen gesagt, dass zu wenige Beweise vorliegen, aber über dieses Konstrukt ‚Gehilfinnenschaft‘ wahrt er das Gesicht und kann das politische Urteil liefern, das der türkische Staat gefordert hat.

Der türkische Staatsvertreter hat übrigens immer im „Namen der Freundschaft unserer Völker“ vom Schweizer Staat eine Verurteilung verlangt, das hat er wörtlich so geschrieben. Tatsächlich sass der Konsul dann auch zwei Tage lang im Saal und hat das persönlich überprüft.

Bist du die erste, die ‚Gehilfinnenschaft‘ kassiert oder gibt es das?

Das habe ich mich auch gefragt, das weiss ich nicht. Aber wir werden nachfragen.
Ihre Definition von Gehilfin ist eine lange, revolutionäre Geschichte mit Kontinuität, auch in der Frage der militanten Praxis.

Wirst du das Urteil weiterziehen?

Das haben wir noch nicht entschieden. Mein Anwalt hat Einsprache gemacht – die muss ja innerhalb von 10 Tagen erfolgen. So haben wir die Möglichkeit, sofern wir uns dafür entscheiden. Es ist auch deshalb wichtig, weil sonst gar kein schriftliches Urteil verfasst werden muss. Das bekommen wir mit einer Einsprache auf jeden Fall. .

Wie schätzt du das Urteil nun ein?

Die Einschätzung war von Anfang an, dass es ein Angriff ist, der auf Druck des türkischen Staates zu Stande gekommen ist. Wir sind entsprechend nicht überrascht. ‚Gehilfinnenschaft‘ ist ein billiger Trick, er wurde aus dem Ärmel gezaubert. Die Bundesanwaltschaft hat das Gesicht gewahrt, sich nicht lächerlich gemacht, obwohl sie keine Beweise geliefert hat auf der anderen Seite die Türkei zufriedengestellt, „im Namen der Freundschaft unserer Völker“.

Welchen Eindruck haben dir diese Tage hinterlassen?

Die Reaktionen haben mich sehr beeindruckt. Ein Blick auf die Social Media oder unsere Homepage zeigt, dass es eine sehr grosse internationale Zustimmung gegeben hat, eine sehr grosse Solidarität. Es gab zahlreiche militante Aktionen, viele Ideen der solidarischen Grüsse aus Rojava, aus Bashur, aber auch aus europäischen Ländern, wie Spanien, Portugal, Deutschland, Frankreich und Belgien. Solidaritätserklärungen, z.B. von Flintas hier in der Schweiz und in Rojava, es gab auch Graffitis, Transparente, Fotos. Oder ich wurde von der internationalen politischen Presse angefragt, Interviews zu geben. Das alles ist Ausdruck der Solidarität und aufbauend, zeigt, dass Solidarität eine Waffe ist, die stärkt. Im Moment laufen international viele Angriffe gegen die Solidarität mit Rojava. Unsere Meinung dazu ist: Sie greifen eine Person heraus, aber gemeint sind alle. Die Solidarität ist eine Antwort für alle. Und sie ist die stärkste Waffe in der internationalen Bewegung.