In der Schweiz tut sich rund um den sogenannten «Gelben Riesen» aktuell vieles: Es geht um Übernahmen, um Massenentlassungen und um Widerstand gegen einen schlechten GAV bei unterschiedlichen Tochterfirmen der Post. Genauer hinschauen lohnt sich – gerade bei der Firma Presto.
(agkk/az) Im ersten Moment kommt vielen Menschen zum Überbegriff von Logistik vielleicht die Post in den Sinn oder aber die Lagerlogistik, in der Paletten mit Gabelstaplern und grosse Container mit riesigen Kränen verschoben und für die weitere Verteilung vorbereitet werden. Logistik besteht aber aus den Teilbereichen Beschaffungs-, Produktions-, Distributions- und Entsorgungslogistik. Jeder dieser Bereiche knüpft an den anderen an, sodass eine lange Kette entsteht. Diese Kette geht von der Beschaffung von Rohstoffen bis hin zur Produktion von Waren und schlussendlich zum Versand dieser Waren. Jedes Unternehmen, welches Waren produziert, durchläuft diese Produktionskette. Insbesondere die Distributionslogistik ist in den Metropolen im Gegensatz zur Beschaffung und Produktion nicht einfach für Extraprofite in Länder mit billigeren Lohnkosten und schlechteren Arbeitsbedingungen auslagerbar. All das muss hier stattfinden: Die produzierten Waren müssen hier an die Konsument_innen geliefert werden. Andere Faktoren verändern sich: Etwa, dass die Digitalisierung dazu führt, dass weniger Briefe versendet werden oder dass Werbeprospekte im Briefkasten auch schon gefragter waren als heutzutage. Im Kapitalismus bedeutet das nichts Gutes: Die zuständigen Menschen verlieren dann normalerweise kurzerhand ihre Existenzgrundlage, ihre Struktur und ihr soziales Umfeld.
Arbeiter_innenmacht trotz allem
Nebst Unternehmen wie Versandhändler, Transportfirmen oder Paketdienstleister, welche sich fast ausschliesslich im Bereich der Distribution von Waren befinden, finden wir auch in Verwaltungen, bei Gesundheitsversorgern, an Hochschulen oder in Druckereien, bei Bauunternehmungen oder im Detailhandel überall Teilbereiche, welche für die Distribution, also für die Verteilung von Waren verantwortlich sind. Auffallend dabei ist, dass die Arbeitsbedingungen fast überall prekär und die Löhne tief sind. Der Anteil an Arbeiter_innen mit Migrationshintergrund ist in der Logistik auffallend hoch. Viele landen als Quereinsteiger_innen in dieser Branche, ohne dass dafür eine Ausbildung nötig wäre. Leider sind vielerorts nur wenige Arbeiter_innen gewerkschaftlich organisiert. Stattdessen versuchen sie meistens, die miesen Arbeitsbedingungen vereinzelt zu ertragen. Dabei sind sich viele Arbeiter_innen gar nicht bewusst, was für eine Macht sie besitzen, wenn sie sich organisieren und gemeinsam kämpfen. Gerade in der Logistik wäre die Streikmacht sehr hoch, weil den Logistikprozess überall viele neuralgische Punkte durchziehen, an welchen alle nachfolgenden Prozesse blockiert werden könnten. Wir müssen uns nur vorstellen, was für Auswirkungen es hätte, wenn ein grosses Paketsortierzentrum bestreikt werden würde oder wenn eine Druckerei nicht mehr ausliefern könnte. Alle nachfolgenden Zustellprozesse wären direkt davon betroffen und bis auf weiteres ebenfalls stillgelegt.
Die Post will «restrukturieren»
Natürlich gehört zur Logistikbranche in der Schweiz trotz um sich greifender Konkurrenz immer noch sehr prominent der Postkonzern und damit die vielen weiteren Tochterfirmen und nachgelagerten Betriebe. Dabei ergibt sich eine Aufgabenteilung, die sich stetig im Wandel befindet. So beabsichtigt der «Gelbe Riese» mit den beiden Firmen Quickmail und Quickpack private Brief- und Kleinpaketzustellung einzugliedern, vorausgesetzt die Wettbewerbskommission stimmt dem Deal zu. Das ist ambivalent: Einerseits finden wir es als Kommunist_innen richtig, dass der «systemrelevante» Öffentliche Dienst nicht von zahllosen Privaten zu unterschiedlichsten Konditionen übernommen wird. Anderseits droht mit der Eingliederung in die Post ein Abbau an Arbeitsstellen. Ein Abbau mussten nämlich auch die fast 4’000 Werbezusteller_innen bei der Direct Marketing Company (DMC) über sich ergehen lassen. DMC gehört der Post und begründete den Abbau mit Rückgang bei Werbesendungen und Gratiszeitungen. Widerstand gegen diese Pläne war nur spärlich vorhanden. Trotz dieser nicht gerade erfreulichen Hintergrundkulisse wird anderorts in der Branche gekämpft. Weil die Verhandlungen rund um einen neuen Gesamtarbeitsvertrag beim Zeitungszusteller Presto gescheitert sind, haben die Arbeiter_innen des Post-Tochterkonzerns Kampfmassnahmen beschlossen.
Presto-Arbeiter_innen kämpfen für einen besseren GAV!
Es ist nicht das erste Mal, dass die Arbeiter_innen von Presto sich nicht alles gefallen lassen. Bereits 2013 traten sie in den Arbeitskampf. Sie unterscheiden sich von anderen, als dass sie auf eine Kampfgeschichte und auf ein entsprechendes Selbstverständnis bauen können, welches anderorts fehlt. Das ist nicht selbstverständlich: Viele von ihnen arbeiten in Kleinpensen zu schlechten Löhnen, sehr oft tun sie dies in den frühen Morgenstunden, nicht wenige bevor sie noch eine andere Arbeit antreten. Rund 5’500 Menschen sind es schweizweit. Dabei geht es heuer darum, materielle Verbesserungen respektive Lohnerhöhungen im Gesamtarbeitsvertrag zu erkämpfen, während die Gegenseite den Status quo beibehalten will und einmal mehr mit der Krise der Printmedien argumentiert. Nicht nur der Postkonzern gehört hierbei zu den unangenehmen Gegenspieler_innen: Im Verwaltungsrat der Presto sitzen alle grossen Verlage der Schweiz. So ist die NZZ, Ringier oder TA-Media vertreten. Sie alle wünschen sich eine pünktliche Auslieferung ihrer bürgerlichen Pamphlete und würden kaum positiv über einen möglichen Kampf berichten.
Solidarität spielt eine Rolle
Wird in der Logistik und speziell bei Presto gekämpft, dann ist Solidarität meistens gewünscht und notwendig. Wenn eine Verbindung von Quartierbevölkerung, Arbeiter_innen und politischer Bewegung möglich wird, dann können alle Beteiligten nur gewinnen. Die Presto-Arbeiter_innen geben unter schwierigen Bedingungen Orientierung, was in der Logistik auch anderorts möglich wäre. Denn eigentlich wissen es alle: Menschen mit Waren versorgen, das können wir auch ohne die Bosse, die uns hetzen und ausbeuten. Wer kämpft, kann gewinnen.
Aus: aufbau 115